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Dr. Christoph Pöhlmann ist Chefarzt der Abteilung für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Memmingen. Foto: Koch/Klinikum Memmingen
Multiresistente Bakterien sind Keime, bei denen die meisten Antibiotika versagen. Für schwerkranke Patienten können solche Erreger gefährlich werden. Wie man sich schützen kann, erklärt Dr. Christoph Pöhlmann, Chefarzt der Abteilung für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Memmingen.
Wieso nehmen multiresistente Bakterien zu?
Dr. Christoph Pöhlmann: Eine der Ursachen, warum Bakterien Multiresistenzen entwickeln, ist der unsachgemäße und oft zu häufige Gebrauch von Antibiotika. In Deutschland wurden im Jahr 2023 in der Tiermedizin 529 Tonnen Antibiotika verbraucht, in der Humanmedizin rund 300 Tonnen. Im Vergleich zu früheren Jahren ist der Antibiotika-Verbrauch damit in Deutschland deutlich zurückgegangen. Aber es gibt Länder, in denen Antibiotika frei zugänglich sind und übermäßig eingesetzt werden. Diese Länder haben natürlich die größten Resistenzprobleme.
Gibt es noch weitere Ursachen für die zunehmenden Resistenzen?
Pöhlmann: Ein weiterer Grund für die zunehmende Resistenz von Bakterien ist die Kontamination der Umwelt mit Antibiotikaresten, welche aus verschiedenen Quellen ins Abwasser gelangen. Dort werden sie gar nicht oder nur sehr langsam abgebaut. Bakterien, die mit den Antibiotikaresten in Verbindung kommen, werden durch die geringen Dosen nicht abgetötet. So entwickeln die Bakterien Resistenzen.
Wie hoch ist denn mittlerweile die Resistenzrate?
Pöhlmann: Bei uns in Deutschland beträgt die Resistenzrate gegenüber breit eingesetzten Antibiotika, sogenannten Breitsprektrum-Antibiotika, bei einzelnen Keimarten zwischen zehn und 25 Prozent. Besser sieht es in nordischen Ländern wie Schweden oder Finnland aus, wo die Rate zum Teil unter fünf Prozent liegt. Allerdings haben Länder wie Griechenland oder Italien bei breit eingesetzten Antibiotika Resistenzen von über 50 Prozent.
Wie wirken sich diese Resistenzen auf den Menschen aus?
Pöhlmann: Für gesunde Menschen stellen multiresistente Bakterien nicht grundsätzlich ein Problem dar. Wenn Sie solch einen Erreger in sich tragen, sind Sie nicht automatisch krank. Denn diese Keime sind nicht krankmachender als andere, sie sind nur schwieriger zu behandeln. Und bei einem gesunden Menschen wird der Keim meistens nach rund sechs bis acht Monaten wieder durch andere Bakterien verdrängt. Denn „gute“ Bakterien schützen uns vor der Ansiedlung „böser“ Keime.
Für wen sind die Keime dann ein Problem?
Pöhlmann: Gefährlich wird es für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, beispielsweise für Tumor- oder Diabetespatienten. Oder für Patienten mit offenen Wunden oder Zugängen, die als Eintrittspforte für Erreger dienen können – zum Beispiel dialysepflichtige Patienten mit einem dauerhaften Katheter im Körper, Patienten mit Blasenkatheter oder beatmete Patienten. Und gefährlich wird es auch, wenn ein Patient, der einen multiresistenten Keim trägt, operiert wird.
Worin besteht hier die Gefahr?
Pöhlmann: Infektionen während einer Operation gehen meist von der eigenen Flora aus. Das heißt, meistens sind es die eigenen Keime, mit denen sich Patienten während einer Operation ansteckten. Kritisch sind dabei vor allem Operationen im Bauchbereich. Denn unser Darm ist voller Bakterien und hier können sich auch die multiresistenten Erreger ansiedeln.
Was kann man tun, wenn sich ein schwerkranker Patient mit einem multiresistenten Keim infiziert?
Pöhlmann: In diesem Fall gibt es sogenannte Reserveantibiotika, die im Gegensatz zu den breit eingesetzten Antibiotika nur sehr sparsam und in schwierigen Fällen eingesetzt werden. Doch leider versagen bei manchen multiresistenten Bakterien mittlerweile sogar schon diese Reservemittel. Und die Entwicklung von neuen Antibiotika hat sich deutlich verzögert. Denn es ist nicht so einfach, neue Antibiotika zu erfinden, weil die Bakterien sehr trickreich sind. Außerdem ist das Forschen nach neuen Antibiotika für die Pharmaindustrie nicht sehr lukrativ. Denn diese neuen Antibiotika sollen nur bei Schwerstkranken und nicht bei einer breiten Masse eingesetzt werden. Rund zehn Jahre dauert es, bis ein neues Antibiotikum marktreif ist. Die Bakterien brauchen allerdings in der Regel nur zwei bis drei Jahre, bis sie dagegen Resistenzen entwickelt haben.
Am Mittwoch, 12. Februar 2025, um 19 Uhr, informiert Chefarzt Dr. Christoph Pöhlmann bei einer kostenlosen Informationsveranstaltung im Rahmen der Gesundheitsakademie zum Thema „Multiresistente Bakterien – Wieso nehmen sie zu? Wie kann ich mich schützen?“ im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) des Klinikums Memmingen, Konferenzraum I (2. Obergeschoss).
Dr. Christoph Pöhlmann, Chefarzt der Abteilung für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Memmingen. Foto: Koch/Klinikum Memmingen
Zur Person
Dr. Christoph Pöhlmann studierte in Würzburg Chemie und Medizin.
Als Arzt im Praktikum forschte er am renommierten Karolinska-Institut in Stockholm, eine von Europas angesehensten medizinischen Universitäten.
Seinen Facharzt in Medizinischer Mikrobiologie machte Pöhlmann an der Technischen Universität Dresden. Bevor er im Januar 2016 Chefarzt am Klinikum Memmingen wurde, arbeitete Pöhlmann als Krankenhaushygieniker und Oberarzt im Zentrallabor am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart.